Staatsoberhaupt ist nicht gleich Staatsoberhaupt
Seit vergangener Woche ist nun auch unser Herr Bundespräsident gegen Corona geimpft und im Fernsehbericht darüber war man bemüht, herauszustreichen, dass sich unser Staatsoberhaupt ganz wie Herr und Frau Österreicher auch über die Plattform „Österreich impft“ dazu angemeldet hat und nun eben an die Reihe kam. Parallel dazu konnte man in einer Doku über den verstorbenen Prinzgemahl der Queen sehen, wie Elisabeth II. und ihr Mann Philip bereits im Jänner, sozusagen symbolisch, als „First Britanians“, gegen Covid-19 immunisiert wurden.
Ich frage mich, warum das in Österreich so ganz anders mit dem Staatsoberhaupt gelaufen ist als in England? Die Antwort liegt für mich auf der Hand: Weil man einen Shitstorm in den sozialen Medien befürchtete, weil Herr Van der Bellen dann als oberster Impf-Vordrängler hingestellt hätte werden können. Ja, das wäre wohl so gelaufen im Land der Neidhammeln, der Vernaderer, der Miesmacher.
Laut nationalem Impfplan sollen zuerst die Alten, Risikogruppen, aber auch die „Systemerhalter“ an die Reihe kommen. Also Ärzte und Pflegepersonal oder Rotkreuz-Mitarbeiter, die mit Covid-Erkrankten in Kontakt kommen könnten. Das ist ja auch so geschehen.
Für mich gibt es aber auch „Systemerhalter“ abseits der medizinischen Pandemiebekämpfung und in diese Kategorie fällt eindeutig auch ein Bundespräsident, der das System „Staat“ ganz wesentlich trägt und aufrechterhält. Abgesehen von seiner moralischen Position als Mahner, Motivator und Vermittler ist unser Staatsoberhaupt vor allem aber unabdingbar bei der Gesetzgebung. Und so jemandem will man ernsthaft das Recht auf rasche Immunisierung gegen das Virus absprechen? Dasselbe gilt übrigens auch für Kanzler, Minister oder Landeshauptleute, unabhängig ob wir politisch mit ihnen d’accord gehen, sie mögen oder verachten. Sie sind politische Systemerhalter und haben ganz wesentliche Funktionen in der Pandemiebekämpfung. In einer Armee würde man wohl auch den Kommandanten besonders schützen, der die Strategie des Angriffs oder der Vetreidigung kennt und die Befehle ausgibt.
Aber das zählt in einem Land, das im ständigen Empörungsfieber liegt, wenig. Politikerbashing um jeden Preis ist angesagt und so war es für Alexander Van der Bellen, 77-jährig und passionierter Raucher, opportun eine monatelange Impfaskese hinzunehmen, weil man (zurecht) befürchten musste, dass man ihm die Impfung als unangemessenes Privileg auslegen könnte. Das mag man in Österreich verstehen – in England wohl niemand.
Fritz Stummer