Matura wozu?
Die Aufregung ist wieder einmal groß und sorgt bei manchen ÖVP- und FPÖ-Politikern für Schnappatmung, nachdem die Wiener SPÖ die Abschaffung der Matura und des Notensystems forderte. Auch wenn Wiens Bürgermeister Michael Ludwig nach harscher und auch fachlich begründeter Kritik von Pädadogenseite zurückrudert und nur noch eine „Modernisierung“ der Reifeprüfung fordert, sitzt der rote Hieb auf unser Bildungssystem.
Hinsichtlich einer „Modernisierung“ der Matura bin ich ganz bei Michael Ludwig und die Frage, was eigentlich Bildungsziele und Lehrinhalte sein sollen, ist nicht nur legitim, sondern sollte permanent in einem Bildungsdialog erörtert werden.
Was mir aber im SPÖ-Statement zur Matura-Abschaffung wesentlich erscheint, ist die Aussage von Wiens Bildungssprecherin, die meinte: „Wir wollen eine angstfreie Schule und wir wollen den Leistungsdruck von den Kindern weghaben!“ Daher auch die geforderte Abschaffung der Schulnoten. „Leistungsdruck“ und wohl auch die „Leistung“ als solche sind, scheint es, Reizworte in einer sozialistischen Ideenwelt. Sätze wie „Nur was man gerne macht, macht man gut!“ oder „Angst essen Seele auf!“ sind zu Dogmen eines Bildungsgedanken verkommen, der Nivellierung mit Chancengleichheit verwechselt und Eliten per se als kapitalistisches Teufelswerk diffamiert.
Martin Gebhart spricht im Kurier in diesem Zusammenhang von „Spaß-Maturanten“, die der Staat auch in ihrem späteren Leben vor jeglichem Leistungsdruck bewahren soll. Nur das Leben da draußen ist fordernd und leistungsgetrieben. Und sollte die Schule nicht für
dieses Leben das Rüstzeug mitgeben? Die SPÖ will aber
offensichtlich Montessori für alle.
Wie schon gesagt, das Wie und Was einer Matura ist permanent in einem Diskussionsprozess zu erörtern. Es muss erlaubt sein, den Stellenwert von Fremdsprachen hervorzuheben, die Bedeutung digitaler Kompetenzen zu hinterfragen und Latein, Geschichte, Kunst und Musik zur Diskussion zu stellen. Aber wer glaubt, unseren Kindern Bildung lediglich spaßgetrieben vermitteln zu können, ist ein Träumer. Den roten Utopisten lege ich das Buch „Lauter Lügen“ von Konrad Paul Liessmann ans Herz, der sich darin auch mit Bildung und unserem Bildungssystem befasst. Liessmann schreibt da im Kapitel „Unanständiger Unterricht“ unter anderem: „Es geht nicht darum, herauszufinden, welche Bildung wir für das 21. Jahrhundert benötigen (weil niemand die Zukunft kennt. Anm.), sondern darum, jene Bildung zu vermitteln, die notwendig ist, um zu verstehen, warum die Welt so geworden ist, wie sie nun einmal ist.“ Der Philosoph plädiert, nicht eine „dubiose Zukunftsoffenheit“ zu propagieren. „Man sollte lieber darüber nachdenken, was von dem, was Menschen bisher an Wissen und Erkenntnis, an Kunst und Kultur, an Ethos und Moral, an Methoden und Technologien entwickelt haben, aus guten Gründen erhalten, bearbeitet, vermittelt und unterrichtet werden kann“, so Liessmann weiter. Über das Vergangene Bescheid zu wissen sei, so der Philosoph, die Voraussetzung für ein bewusstes und mündiges Leben. Die Vergangenheit sei ein Fundament und keine Norm.
Diesen Bildungsbegriff kann ich nachvollziehen und solche Inhalte sollten auch mit gewissem Leistungsdruck vermittelt werden dürfen, auch wenn es Schülern bisweilen keinen Spaß macht und eine ach so böse Schulnote über ihre Leistung Auskunft gibt.
Fritz Stummer