„Der Zerrissene“ feiert Premiere beim Theatersommer Haag
Mit der Premiere am Donnerstag, 1. Juli, startete der diesjährige Theatersommer in Haag. Intendant Christian Dolezal, der auch die tragende Rolle im Stück übernahm, und Regisseur Dominic Oley entschieden sich für Nestroys „Der Zerrissene“, einem der großen und traditionellen Klassiker der österreichischen Komödienliteratur.
Voll Experimentierfreude wurde das Projekt letztlich ein doch eher zwiespältiges Theatervergnügen. Schauspielerisch punktete das Ensemble mit Stars wie Miriam Fussenegger, der Salzburger Buhlschaft 2016, in der Rolle der Kathi oder Sigrid Hauser als Madame von Schleyer. Auch Kajetan Dick als „Krautkopf“ und letztlich auch Intendant Christian Dolezal verstanden es, mit ihrer Schauspiellust dem Theaterabend Glanzlichter aufzusetzen.
Was diesmal allerdings „theatralisch“ weniger gelang, ist die Inszenierung selbst. Regisseur Dominic Oley, ein, wie er im Programmheft selbst betonte, Nestroy-Neuling, wählte einen bewusst modernen Zugang zum Stück und – scheiterte! Dieser „moderne Zugang“ nimmt dem Stück schlichtweg das Nestroyeske, die wienerisch-philosophische Schwermut seiner Figuren und die sprachliche Raffinesse. Die Couplets wurden zugunsten von „Songs“ der 50er und 60er getauscht und so auf den Überraschungseffekt beim Publikum spekuliert. Dass dieses Kalkül nicht aufging, zeigte schon, dass der Funke der Begeisterung aufs Publikum nicht überspringen wollte und lediglich ein Szenenapplaus aufbrandete, als das Ensemble in Slapstickmanier das Bühnenbild umbaute. Exemplarisch für die überaus eigenwillige Art der Haager-Inszenierung war die Rolle des „Gluthammers“, jenem zornigen und existenziell in Not geratenen Schmieds mit Liebes- und Weltschmerz. Diese Nestroyfigur, die einst ein Otto Schenk zu einer Nestroy-Ikone hoch zu stilisieren vermochte, wurde zur Persiflage und – weil scheinbar zeitgeistig erforderlich – auch gleich als Frauenrolle angelegt, wurde die Gluthammerin zum Schluss auch noch als Lesbe geoutet. Ein wenig viel für einen nicht so erwarteten Nestroyabend. Aber so ist eben Theater, und wem es gefällt …
Fritz Stummer